Urteil zu Submissionsbetrug: Wenn Preisabsprachen im Bauwesen strafbar sind

BGH, Urteil vom 08.01.1992 – 2 StR 102/91
Fachgebiete: Bau- und Strafrecht
Quelle: HRR Strafrecht – BGH 2 StR 102/91

Hintergrund:

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um ein klassisches Szenario im Baubereich: Die öffentliche Hand schreibt Bauleistungen aus – und mehrere Bauunternehmen sprechen sich im Vorfeld ab, wer den Zuschlag erhalten soll. Dieses Verhalten fällt nicht nur unter das Vergaberecht, sondern auch unter das Strafrecht. Der Wettbewerb wird damit manipuliert – und der Auftraggeber bewusst getäuscht. In Zeiten von massivem Kostendruck und wachsender regulatorischer Kontrolle ist das Urteil aktueller denn je.

Was war passiert?

Mehrere Bauunternehmer hatten im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung Preisabsprachen getroffen. Dabei wurde festgelegt, wer den Auftrag erhalten soll – die übrigen gaben sogenannte „Fehlangebote“ ab, die formal den Anforderungen genügten, aber bewusst überteuert kalkuliert waren. Damit wurde dem Auftraggeber – also der ausschreibenden Behörde – ein fairer Wettbewerb lediglich vorgetäuscht. Das wirtschaftliche Ergebnis: Ein Preis über dem realistisch erzielbaren Wettbewerbspreis, was zu einem klaren wirtschaftlichen Schaden auf Seiten der öffentlichen Hand führte.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der BGH stellte klar: Wird durch Absprachen ein echter Preiswettbewerb verhindert, entsteht dem Auftraggeber ein Vermögensschaden – selbst dann, wenn der vereinbarte Preis auf den ersten Blick marktüblich erscheint. Entscheidend ist, dass ein besseres Angebot durch echte Konkurrenz möglich gewesen wäre. Der BGH betonte, dass bereits die Täuschung über das Vorhandensein eines Wettbewerbs ausreicht, um einen strafbaren Betrug zu bejahen. Das Urteil schafft damit eine wichtige Klarstellung für die Praxis – insbesondere für Auftraggeber, die sich gegen solche Praktiken zur Wehr setzen wollen.

Strafrechtliche Bewertung:

Ein solches Verhalten erfüllt den Tatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB. Die vorsätzliche Täuschung über den Wettbewerbsvorgang – also über die vermeintliche Vielfalt an Angeboten – führt dazu, dass die Vergabeentscheidung auf einer falschen Tatsachengrundlage basiert. Im Klartext: Wer sich an solchen Absprachen beteiligt, täuscht vorsätzlich die Vergabestelle, schädigt den Wettbewerb und begeht damit eine Straftat. Je nach Umfang und Schadenshöhe kann dies zu empfindlichen Geldstrafen oder gar Freiheitsstrafen führen.

Bedeutung für die Praxis:

Dieses Urteil ist für Bauunternehmen, Architekten, Ingenieure, Vergabestellen und öffentliche Auftraggeber gleichermaßen relevant. Wer sich an Preisabsprachen beteiligt, riskiert nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen – etwa durch Rückforderung überhöhter Zahlungen oder Ausschluss von weiteren Aufträgen – sondern auch eine strafrechtliche Verurteilung. Auch für Compliance-Beauftragte in größeren Bauunternehmen ist das Urteil eine Mahnung: Interne Kontrollsysteme sollten so ausgestaltet sein, dass solche Absprachen frühzeitig erkannt und verhindert werden können. Zudem unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit klarer Richtlinien im Umgang mit Ausschreibungen und Bietergemeinschaften.

Fazit:

Bauprojekte unterliegen strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen – und das zu Recht. Das Urteil macht deutlich: Die Grenze zwischen cleverem Kalkulieren und strafbarem Verhalten kann schneller überschritten sein, als man denkt. Besonders in einem sensiblen Bereich wie dem öffentlichen Bauwesen, wo Steuergelder im Spiel sind, ist ein transparenter und fairer Wettbewerb unverzichtbar. Auftraggeber wie Auftragnehmer sollten sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sein und bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einholen – bevor es zu spät ist.